Gesundheit
Gesundheit für mehr Lebensqualität und gute Arbeit
Deutschland verfügt über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Damit dies so bleibt und weitere Fortschritte erzielt werden können, müssen wir uns um die Gesundheitsangebote und die in diesem Bereich arbeitenden Menschen besonders kümmern. Zugänge zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung und Wertschätzung der Gesundheitsberufe sind deshalb zentrale Anliegen.
Krankenhäuser
Politik kann und muss für diese Anliegen wichtige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen schaffen. Zu einer zentralen Aufgabe des Landes gehört die Landeskrankenhausplanung und die damit zusammenhängende Sicherstellung eines leistungsfähigen Angebots der Gesundheitsversorgung. Dabei darf es nicht um den Abbau von Kapazitäten, sondern um die sinnvolle Vernetzung und Nutzung sowie die adäquate Finanzierung gehen. Konkret bedeutet dies, dass kein Krankenhaus geschlossen werden muss, sondern dass sinnvoll Schwerpunkte gebildet und Kooperationen vereinbart werden müssen. In Recklinghausen ist dies bereits auf einem sehr guten Weg, da die Krankenhäuser in Verbünde integriert sind und durch die Bildung von Schwerpunkten und Kooperationen in der Lage sind, Spitzenmedizin flächendeckend zu organisieren. Wichtig ist aber auch, dass diese Bemühungen durch die Investitionskostenfinanzierung des Landes unterstützt werden. Der zurzeit bestehende Investitionsstau muss durch eine angemessene Landesfinanzierung überwunden werden.
Integrierte Versorgung
Zur Entwicklung der Gesundheitsangebote gehört auch die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitseinrichtungen und Berufen. Das derzeit oft zu sehr arbeitsteilig organisierte und finanzierte Gesundheitssystem muss hier weiterentwickelt werden. Wichtige Anstöße können hierzu etwa von den Erfahrungen der Knappschaft mit der Organisation ambulanter und stationärer Angebote ausgehen. Aber auch an anderen Stellen wachsen die Versorgungsangebote immer mehr zusammen, wenn einerseits wohnortnahe ambulante Versorgung organisiert und andererseits Gesundheitszentren an den Krankenhäusern entstehen. In Zukunft werden die Versorgungsangebote noch viel enger vernetzt und patient*innenorientiert erbracht werden müssen. Dazu gibt es bereits Bestrebungen, den Patient*innen spezialisierte Leistungen verstärkt zu Hause anzubieten. Das setzt aber auch voraus, dass die Finanzierung von Gesundheitsangeboten weniger streng nach Versorgungssektoren wie niedergelassenen Ärzte, Krankenhäusern, Pflege- oder Rehabilitationseinrichtungen organisiert und dass technische Möglichkeiten genutzt werden.
Ein Ansatzpunkt hierfür können sogenannte Hybrid-DRGs sein, also Finanzierungsformen, die sich an der erforderlichen Behandlung anstelle der unterschiedlichen Organisationsformen orientieren. Gemeinsam mit den Gesundheitsanbietern und den Kostenträgern können dazu Lösungsvorschläge entwickelt und auf Landes- wie Bundesebene eingebracht werden. Sektoren übergreifende Versorgung setzt auch eine bessere Nutzung der Digitalisierung voraus. Informationen müssen Patient*innen orientiert überall verfügbar sein, um eine gute Versorgung zu gewährleisten. Dokumentationen müssen digital organisiert werden, um Leistungen effizient erbringen zu können. Und Telemedizin darf nicht nur dem Austausch unter Ärzt*innen dienen, sondern muss auch dazu beitragen, Gesundheitsleistungen direkt zu den Patient*innen zu bringen. Hierfür muss Politik Rahmenbedingungen schaffen, die dann vor Ort die Umsetzung flexibler Lösungen ermöglichen, die den Bedürfnissen von Patient*innen, Gesundheitsanbieter*innen und Beschäftigten gerecht werden.
Personalentwicklung
Über die Beschäftigten im Gesundheitsbereich wurde in jüngster Zeit viel gesprochen und abstrakt mehr Wertschätzung eingefordert. Dies gilt es zu konkretisieren und dort wo Bedarf besteht, entsprechende Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Die Attraktivität der Beschäftigung im Gesundheitssektor hängt aber auch damit zusammen, dass deutlich gemacht wird, dass es sich um, zu großen Teilen, hoch qualifizierte Arbeitsplätze mit besten Zukunftsaussichten und vielfach anständiger Bezahlung handelt. Es lohnt sich für junge Menschen, eine Kariere nicht nur als Mediziner, sondern ebenso z.B. als Pflegekraft oder im therapeutischen Bereich anzustreben. Während es in der Altenpflege noch deutlichen Nachholbedarf gibt, sind die Einkommensmöglichkeiten z.B. in Krankenhäusern überdurchschnittlich und es bestehen vielfältige Möglichkeiten der Weiterbildung und Spezialisierung. Die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit z. B. auf Intensivstationen, in Herzkatheter Laboren, Schlaganfallstationen oder der pädiatrischen Versorgung, um nur einige zu nennen, sind heute Grundlage eines hoch modernen Berufsbildes, für das es sich zu interessieren und in dem es sich zu arbeiten lohnt. Auch die Pflege oder therapeutischen Berufe bieten Möglichkeiten als Ausbildungsberuf, als akademische Ausbildung und eine Vielfalt von Weiterbildungschancen. Dementsprechend muss auch für die Gesundheitsberufe und die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen viel mehr geworben werden. Arbeit im Gesundheitssektor ist nicht bemitleidenswert, sondern vielfach hoch attraktiv und angesehen.
Dennoch besteht vielfältiger Handlungsbedarf. Die Entwicklung in den Gesundheitsberufen ist teilweise uneinheitlich verlaufen. Im Bereich der Altenpflege wurde die Ausbildung mittlerweile mit der Krankenpflegeausbildung zusammengelegt. Die Vergütungssysteme wurden aber nicht entsprechend angepasst. Daher kommt es vor allem in der besonders stark wachsenden Altenpflege zu starken Personalengpässen. Die Vergütungssysteme in der Pflege spiegeln noch nicht ausreichend die Vielfalt der Qualifikationen und Aufgaben wider. Berufsbilder und Karrieremöglichkeiten müssen noch besser geplant und in Vergütungsstrukturen abgebildet werden. Und die Berücksichtigung sozialer Kompetenzen in der Bewertung der Arbeit ist noch unzureichend. All dies ist auch Ausdruck einer unterentwickelten Interessenvertretung der Gesundheitsberufe. Es gibt keine berufsgruppenübergreifende Einheitsgewerkschaft, keine branchenbezogenen Arbeitgeberverbände und kein einheitliches Kammersystem zur Unterstützung der Berufsbildung. Deshalb wird es darauf ankommen, dass die Ausbildungs-, Arbeits- und Tarifentwicklung politisch gemeinsam mit den Akteuren des Gesundheitssystems gestaltet werden. Dazu können tarifliche und Mitbestimmungslösungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ebenso gehören wie der Auf- bzw. Ausbau des Kammersystems. Es muss eine vorrangige politische Aufgabe werden, Rahmenbedingungen für die Arbeitsbeziehungen und Arbeitsbedingungen in einem der größten Sektoren von Wirtschaft und Versorgung zu schaffen.
Zu den wichtigen Gestaltungsbereichen gehören auch die Entbürokratisierung und Digitalisierung. Eine Entlastung der Ärzte und Pflegekräfte von bürokratischen Aufgaben z.B. im Bereich Information und Koordination, Dokumentation und Abrechnung kann Arbeitsbelastung deutlich reduzieren und Kapazitäten für wertschöpfende Aufgaben schaffen. Ein wesentliches Instrument besteht hierfür in der Digitalisierung im Gesundheitssektor. Vieles läuft längst digital, aber viel zu oft noch unvernetzt. Die Weiterentwicklung der Digitalisierung kann Gesundheitsberufe attraktiver machen und Kapazitäten für sinnvolle Tätigkeiten schaffen. Daher ist eine Digitalisierungsoffensive sowohl für das Personal als auch für die Patient*innen notwendig.
Auch jenseits der medizinisch-pflegerischen Fachberufe arbeiten viele Menschen im Gesundheitssektor. Übersehen werden häufig Hauswirtschafts- und Facilitymanagement, Logistik-, Verwaltungs- und technische Berufe. Ohne diese Berufe wäre Gesundheitsversorgung nicht möglich. Hier können und müssen weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Es ist daher dringend erforderlich, auch die sogenannten patient*innenfernen Berufe im Gesundheitssektor systematisch in einen Dialog, die Interessenvertretung und die Gestaltung der Arbeit einzubeziehen.
Ausbau der Altenpflege
Die immer längere Lebenserwartung der Menschen, die Alterung geburtenstarker Jahrgänge und die Abnahme des Anteils der jüngeren Bevölkerung stellen insbesondere die Altenpflege vor große Herausforderungen. Handlungsbedarf besteht sowohl bei der Entwicklung der Angebote als auch der Gestaltung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen sowie der Finanzierungssysteme. Dabei muss die Altenpflege auch noch besser mit der sonstigen Gesundheitsversorgung vernetzt werden.
Die Entwicklung der Angebote der Altenpflege muss vor allem an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen ausgerichtet werden. Dazu sind Unterstützung und Entlastung der Pflege durch Angehörige ebenso erforderlich wie neue Wohnformen und flexible Tages-, Kurzzeit oder Spezialpflegeangebote. Die Vielfalt der Bedarfe setzt eine hohe Flexibilität der Instrumente zur Gestaltung der Pflege voraus. Zwar gilt das Gebot ambulant vor stationär, häufig sind Pflegesituationen aber nicht ohne weiteres ambulant zu bewältigen, so dass auch die quantitative wie qualitative Weiterentwicklung stationärer Angebote erforderlich ist. Wohngruppenmodelle sind ein Beispiel dafür, welche ambulanten und stationären Angebote miteinander kombiniert werden können. Auf allen Ebenen von der familiären Pflege über professionelle häusliche bis zur stationären Versorgung wird die Digitalisierung wichtige Beiträge leisten können. Hausnotrufsysteme sind mittlerweile fest etabliert, Videosprechstunden gewinnen an Bedeutung, medizinische Diagnostik und pflegerische Unterstützung können durch Telemedizin so organisiert werden, dass sie bei den Betroffenen zu Hause oder in den Pflegeeinrichtungen jederzeit verfügbar sind. Die Einweisung pflegebedürftiger Menschen in die Krankenhausnotaufnahme muss vom Regelfall zur Ausnahme werden. Die Entstehung neuer vernetzter Versorgungsangebote in der Pflege muss daher politisch begleitet und gefördert werden. Die Verwaltung des Pflegebedarfs sollte daher der Vergangenheit angehören.
Innovative Pflegeangebote setzen auch ausgebildetes und fair bezahltes Personal voraus. Der einheitlichen Pflegeausbildung muss daher auch eine einheitliche Entlohnung folgen. Auch die Weiterbildung z.B. der Pflege von Demenzkranken, von Schlaganfallpatient*innen, von Patient*innen mit Problemen des Atmungssystems und multimorbiden Erkrankungen muss vergleichbar zur Pflegeentwicklung im Krankenhaus stattfinden, wenn Pflegekräfte die Partner*innen der Ärzte in den Pflegesituationen vor Ort werden sollen. Dies setzt eine Pflegepersonaloffensive für die Altenpflege voraus, die sowohl für ausreichend Pflegekräfte sorgt als auch für Weiterbildungsangebote und adäquate Vergütungsmodelle.
Zur Finanzierung der Altenpflege müssen neue Modelle erprobt werden, die statt nachdem Verrichtungsprinzip (Minutenpflege) nach dem Bedarfsprinzip (ergebnisorientiert) ausgerichtet sind. Dazu zählt auch eine entsprechende Evaluierung, die die Lebensqualität der Pflegebedürftigen in den Mittelpunkt rückt.
Weiterentwicklung von Prävention und Rehabilitation
Prävention und Rehabilitation benötigen einen höheren Stellenwert als bisher. Dies setzt aber auch voraus, dass die Angebote bedarfsorientiert, vernetzt und effizient weiterentwickelt werden. Gesundheitsversorgung muss vor Eingriffen im Krankenhaus einsetzen. Patient*innen, die eine neue Hüfte erhalten sollen, können bereits vor dem Eingriff trainiert werden, um diesen besser zu überstehen, schneller entlassen zu werden und anschließend besser wieder auf die Beine zu kommen. Viele Rehabilitationsangebote lassen sich aber auch im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen, ambulant oder sogar zu Hause organisieren. Hier gilt es in Zukunft Brüche im Versorgungssystem abzubauen, durch die Wartezeiten entstehen, Doppeluntersuchungen erforderlich werden, Therapieerfolge in Frage geschmälert werden oder die Akzeptanz der Patient*innen sinkt. Prävention und Rehabilitation muss daher in alle Versorgungsprogramme integriert werden. Dazu müssen Krankenkassen und Rentenversicherungen gewonnen werden und entsprechend beitragen.